Klimaneutrale Gebäude

Grüner wohnen

Von Michael Gneuss und Katharina Lehmann · 2023

In der Europäischen Union werden rund 40 Prozent der Energie im Gebäudesektor verbraucht, in dem damit auch ein Drittel der Treibhausgasemissionen entstehen. Immobilien sind somit maßgeblich für die Klimabelastung verantwortlich. Grund genug für die EU-Kommission, im Rahmen des Green New Deal den Bestand bis 2030 klimafit zu machen. Einfach wird das allerdings nicht.

Ein Stück Erde mit einer Modellstadt wird von einer Hand gehalten
Der Gebäudesektor soll in den kommenden Jahren grüner werden. Foto: iStock / violetkaipa

In der gesamten EU müssten der Kommission zufolge rund 30 Millionen Gebäude binnen weniger Jahre saniert werden. In Deutschland sind einer Studie des Forschungsinstituts für Wärmeschutz München (FIW München) und des Instituts für Energie- und Umweltforschung (ifeu) zufolge 9,25 Millionen Wohngebäude energetisch so aufbereitet, dass sie als „niedertemperatur-ready“ gelten. Sie sind also gedämmt, verfügen über gut isolierende Fenster und Türen und erfüllen die Mindestanforderung für einen Umstieg auf erneuerbare Heizenergien. In solchen Gebäuden kann eine Wärmepumpe effizient arbeiten. Nur: Rund zehn Millionen Wohngebäude entsprechen diesem Standard nicht. „Jedes Jahr werden nur rund 500.000 Wohneinheiten energetisch vollständig saniert“, sagt Ralph Henger, Wohnungsmarktexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Bei rund 42,5 Millionen Wohnungen in Deutschland liegt die jährliche Sanierungsquote damit bei etwas mehr als einem Prozent. „Um unsere Klimaziele zu erreichen, müssten es aber doppelt so viele sein“, so Henger. Und dabei sind die Ziele der Bundesregierung schon weniger ambitioniert als die in Brüssel. Statt bis 2030, wie die EU plant, soll nach Willen der Bundesregierung der Gebäudebestand hierzulande bis 2045 klimaneutral sein. Neben dem nachhaltigen Neubau liegt der Fokus staatlicher Förderungen vor allem auf der Sanierung bestehender Gebäude, da man sich hier den größeren Klimaschutzeffekt verspricht.

Diverse Hürden für klimaneutrale Gebäude

Leicht wird das Hochfahren der Sanierungsquote aber nicht: Einer Umfrage des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) aus dem Dezember vergangenen Jahres zufolge, nannten 84 Prozent der befragten Wohnungsunternehmen die gestiegenen Materialkosten als wesentliche Modernisierungsbremse. Dazu sahen 57 Prozent die gestiegenen Finanzierungszinsen und 55 Prozent die fehlenden Bau- und Handwerkskapazitäten im Zuge des Fachkräftemangels als Hindernis. „Die aktuellen Rahmenbedingungen reichen nicht aus, um genügend Gebäudeeigentümer davon zu überzeugen, in ihr Gebäude zu investieren und energetische Effizienzmaßnahmen durchzuführen“, sagt Henger. Der Bund fördert sowohl den Neubau energieeffizienter Gebäude als auch die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden. Nach Angaben des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) wurden im vergangenen Jahr rund 2,6 Milliarden Euro an Fördergeldern für die energetische Sanierung ausgezahlt, 85 Prozent mehr als im Vorjahr. Doch das reicht nicht aus. Der Energieverbrauch der Haushalte stagniert trotz der Milliardeninvestitionen. Nach Angaben des Umweltbundesamts verbrauchten deutsche Haushalte im Jahr 2021 etwa 670 Terawattstunden (TWh) Energie – fast genauso viel wie im Jahr zuvor und 2,3 Prozent mehr als im Referenzjahr 1990. Gefördert werden sowohl Einzelmaßnahmen wie die Dämmung von Fassaden, Dächern und Kellern, der Austausch von Türen und Fenstern oder die Installation einer neuen, energieeffizienten und auf erneuerbaren Energien beruhenden Heizung als auch die Komplettsanierung oder der Bau besonders energiesparender Häuser. 

Grafik: Entwicklung der Baupreise in Deutschland bis 2023

Potenziale der Dämmung

Nach Berechnungen der gemeinnützigen Beratungsgesellschaft co2online verliert ein ungedämmter Altbau bis zu 35 Prozent der erzeugten Wärme über die Fassade, bis zu 20 Prozent über das Dach. Diese Wärmeverluste ließen sich zwar nicht komplett vermeiden – wohl aber deutlich senken. So entstünden Einsparpotenziale von im Schnitt 22 Prozent bei der Fassadendämmung, 15 Prozent bei der Dachdämmung und 10 Prozent bei der Dämmung der Kellerdecke. Damit ließen sich je nach Gebäudezustand und -größe mehrere Tausend Euro im Jahr sparen. Genaue Einsparpotenziale lassen sich allerdings nur individuell ermitteln. Relevant sei aber neben der Dicke der Dämmschicht auch der Ausgangszustand des Gebäudes. Denn in einem ungedämmten Altbau lassen sich wesentliche höhere Einsparungen erzielen als in einem bereits wärmeisolierten Gebäude – grundsätzlich bringen die ersten Zentimeter Dämmung die größten Energieeinspareffekte. Doch nicht nur Baustoffe helfen, das Eigenheim energieeffizienter aufzustellen. Auch smarte Technologien können massive Einsparungen bringen – vor allem wenn sie clever eingesetzt und digital vernetzt sind. So berichten einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom zufolge mehr als die Hälfte (53 Prozent) der Befragten, die smarte Heizkörperthermostate installiert hatten, ihr Energieverbrauch sei seither gesunken – bei 22 Prozent deutlich, bei 31 Prozent eher gesunken. Bei 12 Prozent ist der Energieverbrauch nach eigenem Dafürhalten gleich geblieben. Ein Drittel (33 Prozent) konnte zum Zeitpunkt der Befragung noch keine Aussage dazu treffen, weil die Geräte noch zu kurz im Einsatz waren. Noch deutlicher werden die Einspareffekte, wenn die Thermostate mit anderen Komponenten des Smart Home verknüpft sind und die Heizung herunterdrehen, wenn die Fenster geöffnet oder keine Personen im Raum sind. 

Unter den Befragten sind zudem 89 Prozent überzeugt: Auch mit kleinen Energieeinsparungen kann man einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Dafür braucht es aber Informationen – über die verschiedenen Möglichkeiten und Maßnahmen, über Einsparpotenziale, aber auch über Voraussetzungen und Grenzen. So fordern denn auch 88 Prozent in Bezug auf digitale Technologien: Die Potenziale von Smart-Home-Anwendungen für das Klima müssen besser bekannt gemacht werden.

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